Als ich in März 2007 das erste Mal in China begrüßt wurde, geschah dies mit den Worten “Willkommen im Land der unbegrenzten Unmöglichkeiten!” Die Anspielung fand ich anfangs lustig, später verfolgte mich dieser Satz mal um mal. Ist man in China, lebt man in China, hält man sich in China auf, so kommt es sicher mehr als einmal vor, dass etwas Kurioses passiert.
Wenn Touristen in China auf der Durchreise sind, fällt diese scheinbar nicht wirklich auf. Da brauch es schon mehr als 10 Tage Sightseeing von Hong Kong nach Shanghai und zurück über Peking. Bei Gesprächen im Freundeskreis tauchen in den letzten Tagen vermehrt die Worte “Gegensätze” und “Willkür” auf. Gegensätze im Tun und Denken, Willkür in Bezug auf die Art und Weise wie die Regierung die Dinge in China regelt.
1) So war es während Olympia 2008 die Regel, dass nur 50% der Autos fahren durften, geregelt über die letzte Zahl des Nummernschildes (z.B. hier). Nur 50% der Autos auf der Strasse zu haben, klingt sehr schön, zumal Großstädte wie Peking es nicht einfach haben mit der Vielzahl an Fahrzeugen. Ob es jedoch wirklich funktionierte, kann ich nicht bewerten, da ich den Verkehr hier bis dahin nicht kannte bzw. einfach nicht vergleichen konnte. Nehmen wir aber an, dass es eine gewisse Wirkung hatte, entschied man die Regel in abgeschwächter Form beizuhalten, nämlich pro (Arbeits-)Wochentag zwei Nummernschilder nicht fahren zu lassen, jeweils rotierend. Nach meiner Rechnung müssen das 2 von 10 Nummern, also täglich nur 80% der Fahrzeuge auf der Strasse. Da Olympia aber schon mehr als ein Jahr zurückliegt, kommen doch einige, wenige Fragen auf.
Olympia ist vorbei, so auch der Ausnahmezustand. Wie kommen nun die 20% der Leute zur Arbeit? Mit dem Taxi? Dann ist doch ein weiteres Auto auf der Strasse, auf der gleichen Strecke wie das “gesperrte” Auto auch wäre. Fahrgemeinschaft wäre eine Möglichkeit, jedoch wohnen die Leute selten nebeneinander und arbeiten in der selben Firma.
Interessant ist also, dass man vermehrt hört, dass der Trend zum Zweitwagen geht, wenn man es sich leisten kann. Neues Auto, neues Nummernschild, keine Beschränkung. Klingt im ersten Ansatz nicht so positiv, aber auch nicht so tragisch. Jedoch bedeutet dies, dass unter der Woche die Regelung (mit diesem Trick) ausgehebelt ist, während am Wochenende (mit diesem Trick) gerne pro Familie dann zwei Autos auf den Strassen sind. Pekinger Taxifahrer berichten, dass nun neuerdings auch am Wochenende vermehrt Staus stattfinden, die vor der Regelung nicht da waren oder nicht in der Intensität zur Kenntnis genommen wurden. Naja.
Weiterhin sieht man in regelmässigen Abständen Fahrzeuge, die ihre letzte Ziffer auf dem Nummernschild abklebt oder abgedeckt haben, mit Pappe, CDs oder sonstigem Material. Diese Idee ist an Auffälligkeit kaum zu überbieten, gäbe es da nicht den ab und an gesehenen “Endgegner”, der das komplette Nummernschild abnimmt und fährt. Fragezeichen machen sich breit.
2) Das Internet, als Ausdruck grenzenloser Freiheit, eingerissener Mauern und durchbrochener Grenzen – wir sind im 21. Jahrhundert. Nicht so in China, wo seit Mitte 2009 Facebook gesperrt ist, youtube nicht erreichbar ist, stellenweise google oder yahoo nicht mal funktionieren und neuerdings Flickr und Picasa ihren Dienst verweigern. Nach Sinn und Unsinn ist dann sicher nicht mehr zu fragen, Antworten hat es ohnehin nie gegeben.
Interessant waren auch die Einblicke eine Kollegen, der schon eine Weile länger in China lebt und entsprechend mehr Informationen besitzt. So ist bekannterweise der Zugriff auf Internetseiten mit pornografischen Inhalten ebenfalls gesperrt und verboten, während der Friseur von nebenan mit roter Leuchtreklame zum späten Haarschnitt nach 22 Uhr einlädt und scheinbar toleriert und geduldet wird. Letzterer Satz sollte vermutlich mit einigen Fragezeichen versehen werden, da ich das System noch nicht wirklich verstanden, durchschaut und hinterfragt habe, aber für mich ich die Kontroverse nicht zu leugnen.
3) …
Ich könnten an zwei, drei Stellen fortfahren, jedoch ist dies vermutlich vergebene Mühe.
In Summe ist ärgerlich, dass ein tolles Land, mit tollen Menschen und vielen großartigen Aspekten, sich selbst in sich selbst, seiner Art und seiner Kultur verstrickt – und das kann nicht gesund sein.
Seht ihr also in Pekinger Strassen eine Langnase kopfschüttelnd, mit I-Pod bewaffnet und müde, weinend lächelnd entlangstrazen … winkt ihm vielleicht kurz zu und gebt ihm ein paar nette Worte mit. Ich habe gehört, ab und an kann er sowas gebrauchen.
Bis dahin bleibe ich für Euch der “erste Iserlohner Rapper mit BeiJing Flow”.
One.
Kop ***
WORD!!! … hey du langnase, genau du, bewaffnet mit einem I-Pod… dich meine ich!… Lass den Kopf nicht hängen… Lass es lieber im Rythmus der Musik bouncen! 🙂
Nun, das Nummernschild-Ding wird hier auch durchgezogen. Jedes Auto darf ein mal pro Woche hier nicht fahren.
Voll gut und funktioniert!! Naja, ärgerlich, wenn man ein mal pro Woche laufen oder den Buss nehmen muss, aber in Santiago gibt es so gut wie keinen Stau!! Und das bei einer fast 7 Millionen Stadt find ich schon beachtlich.
Ausserdem werden Fahrgemeinschaften wirklich durchgezogen. Naja, nachdem es in Santiago eh nur 3-4 Viertel gibt in denen “wir” wohnen können/sollten ist das schon machbar.
Ausserdem gibt es hier ein tolles öffentliches Verkehrsnetz, welches ich allerdings noch nicht ganz durchschaut habe… ab es soll echt gut sein! 😉